Skip to main content

08.04.2024 | Künstliche Intelligenz | Interview | Online-Artikel

"Das Innovationspotenzial von KI ist enorm"

verfasst von: Alexander Lorber

4:30 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Im Interview erläutert Sascha Poggemann, Co-Founder und Chief Operating Officer von Cognigy, welche Chancen mit dem Siegeszug der generativen Künstlichen Intelligenz (KI) verbunden sind.

Herr Poggemann, in welchen Bereichen kommt Künstliche Intelligenz gegenwärtig im Arbeitsalltag schon zum Einsatz?

Sascha Poggemann: Künstliche Intelligenz kommt bereits in einer Vielzahl von Feldern und alltäglichen Arbeitsprozessen zum Einsatz – ein gutes Beispiel ist der Kundenservice, in Form von automatisierten KI-Assistenten. Andere Anwendungsfälle finden sich in der Datenanalyse, in Marketing, Werbung und Sales, in der Produktion und im Gesundheitswesen. Aber vielmehr noch können wir beobachten, dass generative KI branchenübergreifend von Mitarbeitern in verschiedensten Rollen genutzt wird, um wiederkehrende Aufgaben zu automatisieren. Es sind also nicht nur die Unternehmen als Ganzes, die aktuell stetig neue Anwendungsfälle für KI finden, sondern vor allem auch deren Mitarbeiter.

Inwieweit ist die Sorge berechtigt, dass durch den Einsatz von KI mancher Arbeitsplatz komplett überflüssig werden könnte?

Wie bei jeder anderen innovativen Technologie, von den ersten Maschinen bis hin zum Computer, überwiegt bei KI zunächst die Angst vor dem Schaden, statt der Gedanke an die potenziellen Vorteile. Ein Beispiel: Den Beruf des Telefonisten gibt es nicht mehr, aber dafür zahlreiche neue Arbeitsplätze, die überhaupt erst durch Innovationen in der Telefontechnologie und Mobiltelefone entstanden sind. KI unterscheidet sich von früheren technologischen Revolutionen lediglich darin, dass sie sich auch auf kreative Berufe wie Designer, Programmierer oder Autoren auswirkt, von denen wir dachten, dass sie ohne menschliche Kreativität nicht auskommen und niemals von Maschinen erledigt werden könnten. Vermutlich wird Künstliche Intelligenz also in Zukunft jene Aufgaben übernehmen, die nicht unbedingt von Menschen erledigt werden müssen und bei kreativen Aufgaben unterstützend zur Seite stehen. Denn nicht jede Design- oder Schreibaufgabe erfordert ein hohes Maß an Kreativität: Nachrichtenartikel, Online-Anzeigen oder die Erstellung einfacher Websites beispielsweise. Vieles davon ist einheitlich und standardisiert und kann dementsprechend ebenfalls von KI übernommen werden.

Welche Berufe werden von KI besonders stark profitieren oder sogar neu geschaffen?

Bereiche, in denen besonders viele, sich wiederholende Aufgaben erledigt werden müssen, beispielsweise der Kunden-Service, werden zu Beginn am stärksten profitieren. Das liegt daran, dass KI hier für viele Menschen in kürzester Zeit den größten Unterschied machen kann. Wie bei jeder neuen Technologie ist der ROI zu Beginn besonders wichtig, um weitere Investitionen zu rechtfertigen. In den Bereichen "Marketing" und "Sales", die eine ähnliche Dynamik aufweisen, kann KI große Datenmengen nutzen, um Kommunikation und Angebote zu personalisieren und zu kontextualisieren. Und in der Datenanalyse wird KI effizientere und präzisere Analysen ermöglichen, insbesondere bei Datenmengen, die menschliche Analysten überfordern würden. Zudem werden völlig neue Berufe entstehen, wie zum Beispiel KI-Manager, die KI-Assistenten steuern und verwalten oder Conversation Designer, die für die Gestaltung natürlicher Dialoge zwischen Mensch und Maschine verantwortlich sind.

Welches Innovationspotenzial steckt in Künstlicher Intelligenz?

Das Innovationspotenzial von KI ist enorm. Sie kann Prozesse optimieren, Entscheidungsfindungen unterstützen und neue Möglichkeiten in fast allen Branchen eröffnen. Besonders spannend ist das Potenzial in der Medizin, wo KI bei Diagnosen und der Entwicklung neuer Therapien helfen kann, im Umweltschutz durch eine effizientere Energieverwaltung und in der Bildung durch personalisiertes Lernen. KI ermöglicht es uns, komplexe Probleme schneller zu lösen und die Grenzen dessen, was technologisch möglich ist, zu verschieben.

Wie kann ein verantwortungsvoller Umgang mit KI aussehen?

Der verantwortungsvolle Einsatz von KI beginnt bereits in der Entwicklungsphase, in der Fragen wie Transparenz, Erklärbarkeit, Datenschutz und Herkunft der Trainingsdaten geklärt werden müssen. Denn KI lernt und verändert sich mit der Zeit und benötigt deshalb kontinuierliche Überwachung, um sicherzustellen, dass sie weiterhin die gewünschte Leistung erbringt und den vorher definierten ethischen, regulatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen entspricht. In Zukunft wird es deshalb KI-Beauftragte geben, die sich – ähnlich wie Datenschutzbeauftragte heute –mit den ethischen, Compliance-relevanten oder datenschutzrechtlichen Aspekten der KI-Nutzung beschäftigen und deren Einhaltung überwachen.

Für den Einsatz von KI sollen in der EU künftig strengere Regeln gelten. Halten Sie den "EU AI Act" für den richtigen Ansatz zur Regulierung von KI oder bremst er KI-getriebene Innovationen aus?

Der "EU AI Act" stellt einen wichtigen ersten Schritt dar, der nicht perfekt ist, aber in die richtige Richtung geht: Wie wir in der Vergangenheit gesehen haben, kann es gefährlich sein, eine Technologie den geltenden Gesetzen zu weit vorauseilen zu lassen, da sich dann zu viele Gelegenheiten für Missbrauch bieten. Dementsprechend muss auch bei KI sichergestellt werden, dass Grundrechte und ethische Grundsätze respektiert werden. Der Ansatz der EU, statt eines pauschalen Regelwerks einen risikobasierten Ansatz für die Regulation von KI zu nutzen – also beispielsweise unterschiedliche Regeln für KI im Marketing und KI in der Medizin festzulegen – ist sinnvoll. So bleibt ein gewisses Maß an Flexibilität erhalten, und es wird verhindert, dass strenge Vorschriften in einigen Bereichen, die Forschung und den Fortschritt in anderen Bereichen behindern. Gleichzeitig sind Gesetzgeber jedoch oft keine KI-Experten und ihre Definitionen sind oft unklar – zum Beispiel dahingehend, welche Anwendungsfälle ein hohes Risiko darstellen und daher strengere Regulation benötigen. Die Gefahr bei zu strenger Regulation darf ebenfalls nicht unterschätzt werden, denn wenn Europa bei der KI-Entwicklung aufgrund von Regulation zu stark zurückbleibt, sind wir weniger stark regulierten Akteuren ausgeliefert, sowohl wirtschaftlich als auch technologisch.

Noch herrscht viel Unsicherheit und Skepsis gegenüber KI. Wie lässt sich das Vertrauen der Menschen in KI stärken?

Dass Technologie unser Leben umwälzt, ist nicht neu – wir haben diesen Prozess schon beim Übergang vom Pferd zum Auto und von Stift und Papier zum Computer beobachten können. Wichtig ist, sich klarzumachen, dass KI nur ein weiteres Kapitel in dieser Geschichte ist und die Menschheit immer gestärkt aus einem solchen Prozess hervorgegangen ist. Aktuell liegt der Schwerpunkt der Konversation noch auf der Technologie selbst und nicht auf den Vorteilen, die sie auch im Alltag für jedermann bringen kann. Kaum jemand hinterfragt heute im Alltag noch, wie ein Smartphone, das Internet oder ein Auto funktioniert – die Technologie ist in gewissem Sinne unsichtbar geworden, aber die Vorteile sind für jeden ersichtlich. Genau so wird es auch mit KI ablaufen: Wir stehen einfach am Anfang des Wandels und wie jede Welle zuvor wird auch diese irgendwann abflachen.

print
DRUCKEN

Premium Partner