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18.12.2023 | Karriere | Interview | Online-Artikel

"Aufgabe eines CAIOs ist, eine adäquate KI-Vision zu entwickeln"

verfasst von: Andrea Amerland

5:30 Min. Lesedauer

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Künstliche Intelligenz hat sich von der Zukunftstechnologie zum strategischen Wettbewerbsfaktor entwickelt. Erste Unternehmen erweitern das Management um die Funktion des Chief AI Officer. Springer Professional sprach mit Berater Kaan Bludau über diesen Trend. 

springerprofessional.de: Eine neue Rolle hält Einzug in die Management Boards von Unternehmen: Der Chief AI Officer (CAIO). Welche Branchen sind dabei die Vorreiter und wie ist der Stand in Deutschland?

Kaan Bludau: Künstliche Intelligenz bietet Unternehmen von der Automatisierung über datengesteuerte Entscheidungsfindung bis hin zur Effizienzsteigerung vielfältige Vorteile. Um die Möglichkeiten erschließen zu können, gilt es, Künstliche Intelligenz strategisch, kulturell, technisch sowie organisatorisch einzubetten und die Mitarbeitenden auf diese Zukunft vorzubereiten. Aus einer Top-Managementperspektive heißt es, die Use Cases zu entwickeln, die zu einem Wettbewerbsvorteil beziehungsweise zu einem Game Changer im Sinne einer Blue-Ocean-Strategie, also eines dauerhaft profitablen Geschäftsmodells, führen. 

Im Rahmen unserer Mandate sehen wir aktuell strategische KI-Entwicklungen in Richtung Produktinnovationen, Kundenerlebnisverbesserungen sowie die Optimierung von Betriebsprozessen. Dies betrifft aktuell besonders Unternehmen aus der IT-, Technologie- und Telekommunikations-, Service- und Dienstleitungsbranchen sowie das verarbeitende Gewerbe. 

Wie weit ist Deutschland hier im internationalen Vergleich?

Deutschland liegt aufgrund des zähen Fortschritts der Digitalisierung auch beim Thema Künstliche Intelligenz international zurück. In einer Ifo-Umfrage gaben 40 Prozent der Unternehmen an, dass KI für sie noch kein Thema sei, im Baugewerbe waren es sogar 60 Prozent. Allerdings schickt sich Baden-Württemberg gerade an, weltmarktführende KI-Region zu werden und hat dafür - mit dem IPAI Heilbronn und dem Cyber Valley Thüringen - gleich zwei milliardenschwere Projekte ins Leben gerufen. Der landesweite Fortschritt bleibt abzuwarten, allerdings ist und bleibt das Bottleneck hierbei der rückschrittliche Digitalisierungsgrad. Das hat vor allem mit dem Investitionsvolumen zu tun: 2022 investierten die fünf Big-Tech Firmen, also Alphabet, Amazon, Meta, Apple, Microsoft, mehr als drei Mal so viel in KI, wie die 29 forschungsintensivsten deutschen Unternehmen zusammen.

Wie werden die CAIOs, die es aktuell schon gibt, vornehmlich eingesetzt?

Die allgemeine Aufgabe eines CAIOs ist, eine adäquate KI-Vision und -Strategie zu entwickeln und sie mit der Gesamtstrategie des Unternehmens in Einklang zu bringen. Dazu kooperiert er intensiv mit anderen Führungskräften und Mitarbeitenden, um für Verständnis zu sorgen, Vorbehalte abzubauen sowie Potenziale für KI-Projekte zu identifizieren, zu konzipieren, und zu verwalten. Darüber hinaus liegt es in der Zuständigkeit des CAIO, sicherzustellen, dass KI-Anwendungen ethisch und im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften genutzt werden.

Der Chief AI Officer gilt als topbezahltes Jobprofil. Wie sieht der Vergütungsrahmen in etwa aus?

Mit ein wenig Glück bekommt man einen kompetenten und zukunftsorientierten CIO mit KI-Kenntnissen ab etwa 250.000 Euro. Für Kandidaten, die dynamisch sind, die richtigen Werte besitzen und auch in anderen Bereichen versiert sind, kann es allerdings schnell auch mal das Doppelte werden, inklusive variabler Anteile. Allerdings gilt: Geld ist nicht der einzige Pull-Faktor für hoch angesiedelte Management-Position. Mitglieder des C-Levels haben individuelle, äußerst vielfältige Motivationen. Diese zu erkennen ist eine der Hauptaufgaben eines Headhunters. 

Was sind die größten Herausforderungen in dieser noch neuen Funktion?

Da die Einsatzbereiche von Künstlicher Intelligenz sehr vielfältig sind, muss ein guter CAIO top-informiert über aktuelle KI-Trends und dazu in der Lage sein, mit allen Bereichen und Abteilungen des Unternehmens eng zusammenzuarbeiten. Er oder sie muss ein enges Netzwerk herstellen, um ein grundsätzliches Verständnis für die neuartige Technologie auf- und Vorbehalte dagegen abzubauen. So können zwar bestehende Silos überwunden werden. Allerdings fällt dies nicht jedem technikaffinen Menschen leicht. Mit der zunehmenden Verbreitung von KI-unterstützten Applikationen wird es immer kritischer, festzustellen, inwiefern die angestoßenen KI-Initiativen auch wirklich zur Erreichung der Gesamtstrategie beitragen. 

Welche Standortfaktoren spielen hier mit hinein?

Eine große Herausforderung am Standort Deutschland ist, dass wir als gesamtes Land in Sachen Digitalisierung weiter zurückliegen, als den meisten bewusst ist. Dadurch ist in vielen Betrieben keine wirkliche Innovationskultur etabliert, es herrscht wenig Bewusstsein dafür, was digital überhaupt möglich ist, geschweige denn mit KI. Und dieses Bewusstsein muss zunächst geschaffen werden. In Zukunft wird es für CAIOs immer wichtiger werden, die eigene Position gegenüber den CTOs und CIOs abzugrenzen, damit der CAIO nicht den gleichen Weg geht wie der mittlerweile fast ausgestorbene CDO (Chief Digital Officer): Als vor wenigen Jahren Unternehmen die Dringlichkeit einer beschleunigten Digitalisierung bewusst wurde, wollte plötzlich jeder einen CDO haben. Doch mittlerweile rechtfertigt der Workload keine C-Level-Position mehr und die Verantwortlichkeiten verteilen sich auf CIO und/oder CTO.

Welche Fach- und Führungskräfte haben guten Aussichten auf solch einen Posten? 

Momentan findet man noch häufig ehemalige CTOs und CIOs in der Position, aufgrund der fachlichen Nähe und der geringen Verfügbarkeit von vergleichbarer Expertise. Klassisch ist auch ein Hintergrund als Data Scientist. Mittlerweile werden auch Abschlüsse in Computerlinguistik gezielt gesucht, vor allem im Hinblick auf eine Automatisierung des Kundenservice. Da KI an vielen Stellen völlig neu etabliert werden muss, braucht es immer auch Führungskräfte, die Change-Kompetenzen mitbringen, hier stellt C-Level-Erfahrung natürlich einen großen Vorteil dar. Frustrationstoleranz, Fingerspitzengefühl, Charisma, Leidenschaft und nicht zuletzt: Proaktivität. Denn Veränderung fällt häufig schwer, es hilft ungemein, wenn man dabei aktiv auf die Belegschaft zugeht. 

Was sollte ein CAIO auf jeden Fall im Blick haben?

KI-Potenziale schlummern überall und in der Regel ist die Belegschaft mit vielen Details des operativen Geschäftes besser vertraut als die Führungsetage. Daher gilt: Je besser die Belegschaft eingebunden wird, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass KI-Initiativen auch von der Belegschaft angestoßen werden. So werden also nicht bloß die täglichen Arbeitswerkzeuge ausgetauscht, sondern es vollzieht sich ein Kulturwandel. Kulturentwicklung ist ein sehr komplexes Thema, das den Rahmen dieses Interviews sprengen würde, doch so viel sei gesagt: "Culture eats strategy for breakfast."

Braucht jedes Unternehmen bald einen Chief AI Officer?

Das kommt, denke ich, vor allem auf die Branche an. Aufgrund ihrer Nähe zur Technologie und zum Endverbraucher werden manche Unternehmen wohl, zumindest übergangsweise, nicht um einen CAIO herumkommen. Aufgrund der Neuartigkeit der Technologie kann man sich momentan noch verhältnismäßig leicht einen Vorreiterstatus sichern, daher ist gerade jetzt ein CAIO empfehlenswert. Damit KI strategisch im Unternehmen implementiert wird, und nicht per Gießkannensystem ausprobiert, müssen sich insbesondere auch die höchsten Führungskräfte damit auseinandersetzen, um die Mehrwerte sowie Potenziale identifizieren zu können.

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Quelle:
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